Beobachten bedeutet also, kritisch zu sein – nicht kritisch auf der Basis von Bewertungen und Meinungen, sondern kritisch wachsam zu sein.
Sobald Kritik persönlich ist, von Angst oder irgendeiner Form von Vorurteil geprägt ist, hört das wirklich kritische Schauen auf und wird bloss bruchstückhaft.
Uns geht es jetzt um das Verständnis des Gesamtprozesses, der Ganzheit des Lebens, nicht um ein bestimmtes Fragment.
Wir fragen nicht, was wir in Bezug auf ein bestimmtes Problem tun sollen, in Bezug auf eine soziale Aktivität, die unabhängig vom gesamten Lebensprozess ist. Wir versuchen herauszufinden, was das Verstehen der Realität beinhaltet und ob es eine solche Realität, eine solche Unermesslichkeit, Ewigkeit tatsächlich gibt.
Es ist diese ganze, totale Wahrnehmung – nicht die fragmentarische Wahrnehmung –, um die es uns geht. Das Verstehen der gesamten Lebensbewegung als eine einzige, einheitliche Bewegung ist nur möglich, wenn sich die eigenen Konzepte, Prinzipien, Ideen und Abgrenzungen in Form von „Ich“ und „Nicht-Ich“ in der Ganzheit des Bewusstseins auflösen.
Wenn das klar ist – und ich hoffe, dass dem so ist –, dann können wir damit fortfahren, herauszufinden, was Leben ist.
Wir betrachten das Leben als einen positives Handlungsprozess. Unser Tun, Denken, die ewige Betriebsamkeit, die Konflikte und Ängste, Trauer, Schuldgefühle, Ehrgeiz, Konkurrenzkampf, Lust am Vergnügen mitsamt seinen Tücken, all dies nennen wir Leben.
Dazu gehören auch die gelegentlichen Freuden, die Momente von Mitgefühl und Großzügigkeit frei von Motiven oder Hintergedanken, sowie die seltenen Momente von Glückseligkeit oder Ekstase, die weder Vergangenheit noch Zukunft kennen.
Aber unser Alltag besteht aus dem Gang ins Büro, aus Ärger, Hass, Herablassung und Feindseligkeit. Diesen Alltag akzeptieren wir als völlig normal.
Doch diese Normalität als positiv zurückzuweisen, ist das einzig wahre Positive.
Dieses sogenannte normale Leben – das hässlich, einsam, ängstlich, brutal und gewalttätig und ohne Kenntnis des wirklichen Lebens ist – abzulehnen, ist die positivste Handlung.