Kann ich mich selbst so sehen, wie ich bin, mit meinen Hassgefühlen, Sorgen, Ängsten, mit all den ungezählten Qualen, die der Geist durchmacht – kann ich mit mir leben, mich selbst verstehen und mühelos überschreiten? Das ist nur möglich, wenn wir die Gegensätze ganz ausschalten. Drücke ich mich verständlich aus?
AUDITORIUM: Ja.
KRISHNAMURTI: Wenn Sie »Ja« sagen und »Wir verstehen es«, dann meinen Sie das vielleicht verbal, intellektuell. Das intellektuelle Verständnis ist aber gar kein Verständnis. Es ist, wie wenn man eine Folge von Wörtern versteht, weil der Redner zufällig Englisch spricht. Sie verstehen die Worte verbal, doch das ist nicht rechtes Verstehen. Rechtes Verstehen heißt doch, unmittelbar wahrnehmen und handeln. Es ist so, wie wenn Sie etwas Gefährliches sehen, Sie handeln dann augenblicklich, ohne verbale Argumente des Intellekts. Das ist eine komplizierte Sache; all diese Probleme hängen zusammen. Sie sind komplex, um so mehr, wenn wir sie intellektuell, verbal behandeln. Wie wir schon bemerkt haben, das Wort ist nicht das Ding, die Beschreibung nicht der Gegenstand.
Wir haben hier eine Beschreibung gegeben, und wenn wir diese einfach intellektuell akzeptieren – diese Wortfolge, die nur eine Vorstellung ist – dann gibt es kein Verständnis und daher kein Handeln. Handeln kommt aus dem Verstehen; beides geschieht zugleich und augenblicklich: Man sagt nicht zuerst »Ich verstehe« und handelt nachher. Im Verstehen selbst liegt die Tat. Verstehen heißt, mit dem leben, »was ist«, wobei durchaus nicht gesagt ist, dass man sich damit zufrieden gibt, im Gegenteil. Verstehen heißt, um ein Beispiel anzuführen, mit Brutalität oder Gewalt leben, die in der Welt um sich greift.
Menschen sind gewaltsam, in der Familie, im Büro, sie gebrauchen Gewalt, in allem, was sie tun, sie sind selbstbezogen und egoistisch. Gewalt ist also da. Sich nur einer Ideologie der Gewaltlosigkeit hinzugeben, ist absurd und eine Heuchelei.