Meditation ist keine Flucht aus der Welt, sie isoliert nicht, sie kapselt nicht ab, sie ist vielmehr das umfassende Verstehen der Welt und ihrer Beschaffenheit. Die Welt hat neben Nahrung, Kleidung und Obdach und neben den Vergnügungen mit ihren grossen Kümmernissen wenig zu bieten.
Meditation ist das Hinweggehen aus einer solchen Welt; man muss ein totaler Aussenseiter sein. Dann hat die Welt einen Sinn, und die Schönheit des Himmels und der Erde ist unwandelbar. Dann ist Liebe kein Genuss. Daraus entspringt jede Handlung, die nicht das Ergebnis der Spannung, des Widerspruchs, des Suchens nach Selbsterfüllung oder des Machtdünkels ist.“
Aus: Krishnamurti: Revolution durch Meditation
Meditation ist nicht die Wiederholung eines Wortes, noch das Erfahren einer Vision oder das Kultivieren des Schweigens. Der Rosenkranz und das Wort beruhigen den geschwätzigen Geist, aber das ist eine Form von Selbsthypnose. Man mag ebenso gut eine Pille nehmen.
Meditation bedeutet nicht, sich in eine Denkschablone einzuhüllen, in den Zauber des Wohlbehagens. Meditation hat keinen Anfang, und daher kein Ende.
Wenn Sie sagen: „Ich will heute damit beginnen, meine Gedanken zu kontrollieren, still in meditativer Haltung zu sitzen, regelmässig zu atmen“ – dann sind Sie in den Tricks gefangen, mit denen man sich selbst betrügt. Meditation bedeutet nicht, von einer grossartigen Idee oder einem Bild absorbiert zu werden; das beruhigt nur für den Augenblick, wie bei einem Kind, das durch ein Spielzeug gefesselt wird, und während dieser Zeit ruhig ist.
Aber sobald das Spielzeug aufhört interessant zu sein, beginnt wieder die Unruhe und die Ausgelassenheit. Meditation ist nicht das Verfolgen eines unsichtbaren Pfades, der zu irgend einem eingebildeten Zustand der Seligkeit führt. Der Meditations- geist schaut – beobachtend, lauschend, ohne das Wort, ohne Stellungnahme, ohne Meinung –, er ist achtsam auf die Bewegung des Lebens in all seinen Beziehungen während des ganzen Tages gerichtet. Und des Nachts, wenn der ganze Organismus ruht, hat der meditative Mensch keine Träume, denn er ist den ganzen Tag über wach gewesen.
Nur der Lässige hat Träume, nur der Halbwache braucht die Hinweise auf seine eigenen Zustände. Aber wenn der Geist wacht und der Bewegung des Lebens lauscht, der äusseren und der inneren, überkommt diesen Menschen ein Schweigen, das kein Stückwerk des Denkens ist.
Es ist kein Schweigen, das der Beobachter erfahren kann. Wenn er es erfährt und es wiedererkennt, ist es nicht länger Schweigen. Das Schweigen des meditativen Geistes liegt nicht innerhalb des Bereichs des Erkennbaren, denn dieses Schweigen hat keine Grenzen. Da ist nur Schweigen – in dem es den trennenden Raum nicht mehr gibt.
Aus: Krishnamurti : Revolution durch Meditation
Es hatte stark geregnet die ganze Nacht hindurch und am Tage, und in den Abwasserkanälen floss schlammiges Wasser in das Meer, liess es schokoladenbraun erscheinen. Als du dem Strand entlang gingst, waren die Wellen riesengross und brachen mit gewaltigem Getöse und grosser Kraft. Du gingst gegen den Wind, und plötzlich fühltest du, dass es nichts gibt zwischen dir und dem Himmel, und diese Offenheit war der Himmel.
So vollkommen offen zu sein, ungeschützt und empfänglich für die Hügel, das Meer und die Menschen, das ist die wahrhaftige Essenz von Meditation. Völlig ohne Widerstand zu sein, ohne innere Barrieren, vollkommen frei zu sein, von allen kleinen Gelüsten, Impulsen und Forderungen, mit all ihren kleinen Konflikten und Scheinheiligkeiten, bedeutet, mit offenen Armen durch das Leben zu gehen.
Wir erkennen nicht, wie wichtig es ist, frei zu sein von all den zweischneidigen Sinnesfreuden mit ihrem nörgelnden Verlangen, damit der Geist allein bleiben kann. Nur wenn der Geist allein in sich ruht, ist er offen.
Dies hast du plötzlich gefühlt, als ob ein starker Windstoss über das Land und durch dich hindurch gefahren wäre. Da warst du entblösst von allem, leer und deshalb absolut offen. Die Schönheit davon lag nicht im Wort oder im Gefühl, sondern schien dich vollkommen zu erfüllen, innen, aussen, über dem Wasser und in den Hügel. So ist Meditation.“
Aus dem Englischen übersetzt aus: Meditationen 1969
Meditation ist etwas ganz Ausserordentliches, und wer nicht weiss, was es ist, ist wie ein blinder Mensch inmitten einer Welt von Farben, Schatten und tanzendem Licht. Es ist keine intellektuelle Sache, aber wenn das Herz in den Geist eintritt, dann hat der Geist eine ganz andere Qualität: Er ist dann wirklich grenzenlos, nicht nur in seiner Kapazität des Denkens und des effizienten Handelns, sondern auch im Gefühl, in einem unermesslichen Raum zu leben, in welchem man Teil von allem ist.
Meditation ist der Fluss der Liebe. Nicht der Liebe zu diesem oder jenem. Es ist wie Wasser, das jedermann trinken kann aus irgend einem Gefäss, ob aus Gold oder aus Tonerde gemacht: es ist unerschöpflich. Und etwas Seltsames passiert, das weder Drogen noch Selbsthypnose hervorrufen können: es ist, als träte der Geist in sich selbst ein, beginnend an der Oberfläche dringt er tiefer und tiefer, bis Tiefe und Höhe ihre Bedeutung verloren haben und jegliches Mass aufhört zu sein.
In diesem Zustand existiert vollkommener Friede – nicht Zufriedenheit, die durch eine Befriedigung zustande gekommen ist – sondern ein Friede mit Ordnung, Schönheit und Intensität. Es kann alles zerstört werden, so wie man eine Blume zerstören kann, doch gerade wegen dieser Verletzlichkeit ist er unzerstörbar. Diese Meditation kann man nicht von jemandem anderen lernen. Man muss damit anfangen, ohne etwas davon zu wissen und von Offenheit zu Offenheit fortschreiten.
Der Boden, auf welchem der meditative Geist spriessen kann, ist der Boden des alltäglichen Lebens, die Bemühungen, der Schmerz und die vergänglichen Vergnügungen. Er muss dort anfangen und Ordnung schaffen und dann von dort unendlich weiter fliessen. Aber wenn man nur darum besorgt ist, Ordnung zu schaffen, dann führt diese Ordnung selber zur Begrenzung, und der Geist wird der Gefangene der Ordnung.
Man muss irgendwie vom anderen Ende her kommen, vom anderen Ufer, und sich nicht immer mit diesem Ufer befassen und wie man den Fluss überqueren könne. Man muss sich ins Wasser stürzen ohne zu wissen, wie man schwimmt. Und das Schöne an der Meditation ist, dass man nie weiss, wo man ist, wohin man geht und was das Ende ist.“
Aus dem Englischen übersetzt aus: Meditationen 1969
Meditieren ist wirklich sehr einfach. Wir machen es kompliziert. Wir weben ein Netz von Ideen daüber, was meditieren ist und was nicht. Aber es ist nichts von alldem. Weil es so einfach ist, verpassen wir es, weil unser Denken so kompliziert, an Zeit gebunden und so veraltet ist. Dieses Denken diktiert dem Herzen sein Verhalten, und damit beginnen die Schwierigkeiten.
Aber Meditation kommt natürlich, ganz selbstverständlich, wenn man z.B. im Sand spaziert oder aus dem Fenster über die wunderbaren Hügel schaut.Warum sind wir so gequälte Menschen, mit Tränen in den Augen und falschem Lachen im Gesicht? Wenn du allein durch jene Hügel streifen könntest, oder durch den Wald oder entlang eines langen, weissen Strandes, in Abgeschiedenheit, dann wüsstest du, was Meditation ist.
Die Freude der Einsamkeit stellt sich dann ein, wenn man keine Angst hat vor dem allein sein, nicht mehr zu Welt gehört oder an irgend etwas hängt. Dann, so wie die Morgenröte diesen Morgen erschient, kommt sie leise und bereitet einen goldenen Weg in die Stille hinein, welche am Anfang war, jetzt ist und immer sein wird.