Zum Thema Verwirrung des Geistes

Frage zum Thema verwirrung des Geistes: Ich habe alle Ihre Vorträge gehört und alle Ihre Bücher gelesen. Nun frage ich sie ernsthaft, was kann der Zweck meines Lebens sein, wenn, wie Sie sagen, alles Denken aufhören, alles Wissen unterdrückt und alle Erinnerung verloren gehen muss?

Wie beziehen Sie diesen Seinszustand, was immer er Ihrer Meinung nach sein mag, auf die Welt, in der wir leben?

Welche Beziehungen hat ein solches Wesen zu unserer traurigen und schmerzhaften Existenz?

Krishnamurti: Wir möchten also wissen, was dieser Zustand ist, der nur existieren kann, wenn alles Wissen und der Erkennende nicht existiert.

Wir wollen wissen, welche Beziehung dieser Zustand zu unserer Welt der alltäglichen Aktivitäten, der täglichen Beschäftigungen hat.

Wir wissen, was unser Leben jetzt ist – traurig, schmerzhaft, immer in Angst, nichts Dauerhaftes. Das kennen wir sehr gut.

Wir wollen wissen, welche Beziehung dieser andere Zustand dazu hat – und wenn wir das Wissen beiseite legen, frei werden von unseren Erinnerungen und so weiter, was dann der Zweck unserer Existenz ist.

Der Zweck der Existenz

Was ist der Zweck der Existenz, wie wir sie jetzt kennen – nicht theoretisch, sondern tatsächlich?

Was ist der Zweck unserer alltäglichen Existenz? Einfach nur zu überleben, nicht wahr? Trotz allem Elend, allem Kummer, dem ganzen Durcheinander von Kriegen, Zerstörung und so weiter.

Wir können Theorien erfinden, wir können sagen: „Dies sollte nicht sein, aber etwas anderes sollte sein.“ Doch das sind nur Theorien, das sind keine Fakten.

Was wir kennen, ist Verwirrung, Schmerz, Leid, endlose Konflikte.

Wir wissen auch, wenn wir uns dessen überhaupt bewusst sind, wie diese Dinge zustandekommen.

Dementsprechend wäre der Zweck des Lebens, – von Moment zu Moment, jeden Tag, –

sich gegenseitig zu schaden und auszubeuten, entweder individuell oder kollektiv.

In unserer Einsamkeit, in unserem Elend versuchen wir, andere zu benutzen, wir versuchen, uns selbst zu entfliehen – durch Vergnügungen, durch Götter, durch Wissen, durch alle möglichen Formen von Glauben, durch Anpassung.

Das ist unser Ziel, bewusst oder unbewusst, unseres gegenwärtigen Lebens. Gibt es einen tieferen, umfassenderen Zweck dahinter, einen Zweck, der nicht in Verwirrung, nicht in Besitzergreifung besteht?

Wie kann Wahrheit mit Falschheit in Verbindung gebracht werden?

Hat der mühelose Zustand irgendeine Verbindung zu unserem täglichen Leben? Sicherlich nicht. Wie kann es das haben?

Wenn mein Geist verwirrt, gequält, einsam ist, wie kann er in Verbindung stehen mit etwas, das jenseits davon existiert

Wie kann Wahrheit mit Falschheit, mit Illusion, in Verbindung gebracht werden?

Wir wollen nicht wahrhaben, dass das unmöglich ist. Denn unsere Hoffnung, unsere Verwirrung, lässt uns an etwas Größeres, Edleres glauben, von dem wir sagen, es sei mit uns verbunden.

In unserer Verzweiflung suchen wir die Wahrheit in der Hoffnung, dass durch ihre Entdeckung unsere Not verschwindet.

Es ist also offensichtlich, dass ein verwirrter Geist, ein von Kummer geplagter Geist, ein Verstand, der sich seiner eigenen Leere, seiner Einsamkeit bewusst ist, niemals das finden kann, das nichts damit zu tun hat, weil es jenseits von ihm existiert.

Das, was jenseits des Verstandes ist, kann sich nur dann zweigen, wenn die Ursachen der Verwirrung und des Elends beseitigt oder verstanden werden.

In allem, was ich gesagt habe, worüber ich spreche, geht es nur darum, wie wir uns selbst verstehen können. Denn ohne Selbsterkenntnis besteht das Andere nicht, dann ist das Andere nur eine Illusion.

Sich selbst verstehen

Wenn wir in der Lage sind, den gesamten Denk- und Handlungsprozess unseres Selbst von Moment zu Moment zu durchschauen, dann erfahren wir, dass durch die Klärung unserer eigenen Verwirrung das Andere in Erscheinung tritt – das, was über den Verstand hinaus geht.

Dann steht dass Erleben in direkter Beziehung mit dem, was jenseits des Verstandes existiert.

Aber unser gegenwärtiger, verwirrter Zustand, wird niemals in der Lege sein, diese Beziehung zu erfahren.

Wenn man sich auf der dunklen Seite des Vorhangs befindet, wie kann man dann eine Erfahrung von Licht, von Freiheit machen?

Aber hat man die Erfahrung der Wahrheit einmal gemacht, dann kann man sie mit dieser Welt, in der wir leben, in Beziehung setzen.

Wenn wir nie erfahren haben, was Liebe ist, sondern nur ständigen Streit, Elend, Konflikte kennen, wie könnten wir dann die Liebe erfahren, die nichts mit alle dem zu tun hat?

Wenn wir sie aber einmal erfahren haben, dann müssen wir uns nicht mehr darum bemühen, eine Beziehung herzustellen.

Dann wirkt Liebe, Intelligenz von selbst. Aber um diesen Zustand zu erfahren, muss alles Wissen aufgegeben werden, alle angehäuften Erinnerungen, alle selbstzentrierten Aktivitäten müssen zu einem Ende kommen, so dass der Verstand nicht mehr fähig ist, irgendwelche Eindrücke zu projizieren.

Dann, wenn man das erfährt, kommt Bewegung in dieser Welt.

Selbstzentriertheit überwinden

Natürlich ist das ist der der Zweck des Daseins – die egozentrische Aktivität des Geistes zu überwinden.

Wenn man den Zustand erfahren hat, der nicht mit dem Verstand erfasst werden kann, dann bewirkt allein dieses Erleben eine innere Revolution.

Denn, wo Liebe ist, gibt es kein soziales Problem. Wo Liebe ist, gibt es überhaupt kein Problem irgendwelcher Art.

Weil wir nicht wissen, wie zu lieben, haben wir soziale Probleme und philosophische Lehren zum Umgang mit unseren Problemen.

Ich sage, diese Probleme können von keinem System gelöst werden, weder von einem der Linken noch der Rechten noch der Mitte.

Unsere Verwirrung, unser Elend, unsere Selbstzerstörung – sie können nur gelöst werden -wenn wir jenen Zustand erfahren können, der nicht selbst produziert ist.

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