Leid und Leidenschaft

Leid und Leidenschaft

Man muss Leidenschaft haben – doch nicht als eine bestimmte Vorstellung, eine bestimmte Parole zur sozialen Revolution oder als theologischen Gottesbegriff. Denn Leidenschaft, die auf Begriffen und Parolen beruht, auf den Erfindungen eines schlauen, klugen Hirns, vergeht rasch. Ohne Leidenschaft, ohne diese Dringlichkeit und Intensität, bleibt unser Leben doch eher schäbig, bourgeois und bedeutungslos. Wenn Sie sich selbst beobachten, dann sehen Sie, dass in dem Leben, wie wir es führen, kein tiefer, bleibender, reicher Sinn liegt. Wir erfinden verschiedene Formen von Arbeit, wir erfinden Ziele und einen Lebenszweck.

Wenn Sie sehr intellektuell sind, legen Sie sich einen eigenen Sinn zurecht, mit dem Sie leben. Als Intellektueller werden Sie außerdem – wenn Sie dieses ganze Geschäft des Lebens, den Kampf, die Hässlichkeit, die Konkurrenz, die Brutalität, die endlose Qual Mitansehen – sich eine Formel ausdenken, nach der Sie leben; wenigstens versuchen Sie das. Darin ist keine Leidenschaft. Leidenschaft ist nicht blind, im Gegenteil: Sie stellt sich nur ein, wenn Selbsterkenntnis sich erweitert und vertieft.

Ich hoffe, Sie hören nicht einfach einer Folge von Worten zu. Ich hoffe, dass Sie wirklich sehen und Ihr eigenes Leben prüfen und erforschen, das Leben, das man selbst führen muss – nicht das eines anderen, nicht das Lebensprinzip eines anderen, sondern das Leben, das wir täglich führen, mit seiner Langeweile, der Routine, den endlosen Kämpfen, dem völligen Mangel an Liebe und Freundlichkeit, das Leben ohne jede Barmherzigkeit. In diesem Leben wird dauernd getötet, nicht nur Tiere, das wir essen, sondern es wird mit Worten, Gesten, Gedanken getötet.

3
Dieses Feld wird benötigt.
Nach oben scrollen