Wenn der Geist daher erkennt, dass sein ganzes Nachdenken über Gewalt Teil der Gewalt ist, dann ist sein Denken am Ende – und damit hört auch die Gewalt auf. Diese Erkenntnis ist unmittelbar, sie läßt sich nicht mit der Zeit kultivieren oder irgendwann in der Zukunft erreichen. In dieser Erkenntnis liegt also das unmittelbare Sehen; darin gibt es weder Zeit noch Fortschritt, noch Evolution.
Es ist eine augenblickliche Wahrnehmung und Handlung. Und gewiss ist es auch mit der Liebe so, nicht wahr? Liebe ist nicht ein Produkt des Denkens. Liebe, wie die Demut, kann man nicht kultivieren. Sie können Demut nicht »pflegen«, das tut nur der eitle Mensch. Und wenn er sie pflegt, das heißt, auf Demut hinarbeitet, dann ist er eitel – wie derjenige, der die Gewaltlosigkeit einübt, in der Zwischenzeit gewalttätig ist.
Liebe ist daher mit Gewissheit der innere Zustand, in dem Zeit, der »Beobachter« und das »Beobachtete« nicht existieren. Wenn wir sagen, dass wir einander lieben – und hoffentlich tun Sie das –, dann ist Intensität da, und zu gleicher Zeit, auf derselben Stufe finden Kommunikation und Kommunion statt, und diese Kommunion, dieser Zustand der Liebe, ist kein Produkt des Denkens oder der Zeit.
FRAGE: Für die meisten von uns ist das, »was ist«, eine Flucht vor einem langweiligen Job, vor der Gesellschaft, in der wir leben, vor der Reformnahrung zu Kleidung und so weiter.
KRISHNAMURTI: Wie können wir darüber hinausgehen? Ist das die Frage? Wie kommen wir darüber hinweg? Sie müssen Ihren Unterhalt verdienen, nicht wahr? In der gegebenen Sozialstruktur müssen Sie ins Büro oder in die Fabrik gehen. Entweder Sie passen sich der Struktur an, oder Sie haben die Freiheit, es zu tun oder nicht. Es ist doch so: Krieg ist das Resultat des Nationalismus, der Spaltung in den, der oben, und den, der unten ist, Krieg ist das Resultat von Ideologien und der wirtschaftlichen Ambitionen einer Nation und so fort.
Soll ich, um Kriege zu verhindern, keine Briefmarken kaufen und nicht mit Zügen fahren? Denn alles, was ich tue, fördert den Krieg; für die Nahrung, die ich einkaufe, zahle ich Steuern; die Kleider, die ich kaufe, die Bücher, die ich lese, alles führt letztlich, in der modernen Struktur der Welt zu irgendeiner Form von Gewalt. Was soll ich also tun? Keine Steuern zahlen, ein Pazifist werden? – Wie soll ich mich verhalten? Es wäre dumm von mir, keine Briefmarken zu kaufen, keine Steuern zu bezahlen usw., aber ich kann meine Stimme erheben gegen den Nationalismus, gegen die Flagge, die Spaltung der Menschen in Religionen, die christliche, die hinduistische, die mohammedanische, in Schwarze gegen Weiße.