Zum Thema Klatsch und Tratsch – Frage: Klatsch und Tratsch hat einen Wert für die Selbstentdeckung, insbesondere darin, mir andere zu offenbaren. Im Ernst, warum sollte man Klatsch nicht als ein Mittel benutzen, um herauszufinden, was ist? Ich scheue mich nicht vor dem Wort „Klatsch“, nur weil es seit Ewigkeiten verdammt wird.
Warum tratschen wir?
Krishnamurti: Ich frage mich, warum tratschen wir?
Nicht, weil es uns andere offenbart. Und warum sollten uns andere überhaupt offenbart werden?
Warum wollen Sie andere kennen lernen?
Warum diese außergewöhnliche Besorgnis um andere?
Zunächst einmal: Warum tratschen wir?
Es ist eine Form der Ruhelosigkeit, nicht wahr?
Wie Besorgnis ist es ein Hinweis auf einen unruhigen Geist. Warum dieses Verlangen, sich bei anderen einzumischen, zu wissen, was andere tun und sagen?
Es ist ein sehr oberflächlicher Geist, der klatscht, nicht wahr? Es ist ein wissbegieriger Geist, der falsch geführt wird. Der Fragende scheint zu denken, dass andere sich ihm dadurch offenbaren, dass er sich mit ihnen beschäftigt – mit ihren Taten, ihren Gedanken, ihren Meinungen. Aber kennen wir andere, wenn wir uns selbst nicht kennen?
Können wir andere beurteilen, wenn wir die Art und Weise unseres eigenen Denkens, unseres eigenen Handelns, unseres eigenenVerhaltens nicht kennen?
Warum diese außerordentliche Sorge um andere?
Ist dieser Wunsch, herauszufinden, was andere denken und fühlen und über was sie tratschen, nicht eigentlich eine Flucht?
Bietet es nicht auch eine Fluchtmöglichkeit vor uns selbst?
Ist darin nicht auch der Wunsch enthalten, sich in das Leben anderer einzumischen?
Ist unser eigenes Leben nicht schwierig genug, komplex genug, schmerzhaft genug, ohne sich mit dem Leben anderer auseinanderzusetzen, sich in das Leben anderer einzumischen?
Haben wir Zeit, über andere auf diese geschwätzige, grausame, hässliche Weise nachzudenken?
Warum tun wir das?
Wissen Sie, jeder macht es. Praktisch jeder tratscht über jemanden anderen. Und warum?
Ich denke, zunächst einmal tratschen wir über andere, weil wir uns nicht ausreichend für den Prozess unseres eigenen Denkens und unseres eigenen Handelns interessieren. Wir wollen sehen, was andere tun, und vielleicht, um es freundlich auszudrücken, andere nachahmen.
Wenn wir klatschen, dann im Allgemeinen, um andere zu verurteilen, aber wenn wir es wohlwollend auslegen, dann vielleicht, um andere nachzuahmen. Warum wollen wir andere imitieren?
Deutet nicht alles auf eine außerordentliche Oberflächlichkeit unsererseits hin?
Es ist ein außerordentlich stumpfsinniger Geist, der Erregung will und dafür seinen eigenen Bereich verlässt, um diese zu bekommen. Mit anderen Worten: Klatsch ist eine Form der Erregung, der wir uns hingeben, nicht wahr? Es man eine andere Art von Empfindung sein als zum Beispiel von einem Kliff abzuspringen, aber es herrscht immer dieses Verlangen nach Erregung und Ablenkung.
Wenn man sich wirklich in diese Frage vertieft, endet man bei sich selbst. Dies zeigt, dass man wirklich außerordentlich oberflächlich ist und von außen Aufregung sucht, indem man über andere spricht.
Erwischen Sie sich selbst, wenn Sie das nächste Mal über jemanden tratschen. Wenn Sie sich dessen bewusst sind, werden Sie eine Menge über sich selbst erfahren. Vertuschen Sie es nicht, indem Sie sagen, Sie seien lediglich neugierig auf andere. Es ist ein Zeichen von Ruhelosigkeit, von einem Gefühl der Erregung, von Oberflächlichkeit und einem Mangel an echtem, tiefem Interesse an Menschen hin, das nichts mit Klatsch zu tun hat.
Das nächste Problem ist…
Das nächste Problem ist, wie man mit dem Klatsch aufhören kann. Das ist die nächste Frage, nicht wahr?
Wenn man sich bewusst ist, dass man klatscht, wie hört man dann damit auf?
Wenn es zur Gewohnheit geworden ist, zu einer hässlichen Sache, die Tag für Tag weitergeht, wie hört man dann damit auf?
Stellt sich diese Frage?
Wenn Sie wissen, dass Sie tratschen, wenn Sie sich des Tratschens mit all seinem Auswirkungen bewusst sind, sagen Sie dann zu sich selbst: „Wie soll ich damit aufhören“?
Hört es nicht von selbst auf, in dem Moment, in dem Sie sich bewusst sind, dass Sie tratschen?
Das „Wie“ kommt überhaupt nicht auf. Das „Wie“ entsteht nur, wenn man sich dessen nicht bewusst ist. Klatsch deutet auf ein fehlendes Gewahrsein hin. Experimentieren Sie selbst damit, wenn Sie das nächste Mal klatschen, und schauen Sie, wie schnell, wie sofort, Sie damit aufhören, wenn Sie sich dessen bewusst sind, worüber Sie reden und dass Ihre Zunge mit Ihnen durchbrennt.
Es bedarf keine Willensanstrengung, um es zu stoppen. Alles, was nötig ist, ist Gewahrsein, sich dessen bewusst zu sein, was man sagt, und die Auswirkungen dessen zu erkennen. Man muss Klatsch nicht verurteilen oder rechtfertigen. Seien Sie sich dessen bewusst, und Sie werden sehen, wie schnell Sie mit dem Tratschen aufhören; denn es zeigt Ihnen ihre eigenen Handlungsweisen, das eigene Verhalten, die eigenen Denkmuster. In dieser Offenbarung entdeckt man sich selbst, was weit wichtiger ist als über andere zu tratschen, über das, was sie tun, was sie denken, wie sie sich verhalten.
Die meisten von uns…
Die meisten von uns, die Tageszeitungen lesen, sind voll von Klatsch und Tratsch, von globalem Klatsch und Tratsch. Das alles ist eine Flucht vor uns selbst, vor unserer eigenen Kleinlichkeit, vor unserer eigenen Hässlichkeit.
Wir denken, wir würden durch ein oberflächliches Interesse am Weltgeschehen immer weiser, immer fähiger, mit unserem eigenen Leben umzugehen. All dies sind zweifellos Wege, um vor uns selbst zu fliehen, nicht wahr?
In uns selbst sind wir so leer, oberflächlich; wir haben solche Angst vor uns selbst. Wir sind so arm in uns selbst, dass Klatsch als eine Form der reichen Unterhaltung, als eine Flucht vor uns selbst fungiert. Wir versuchen, diese Leere in uns mit Wissen zu füllen, mit Ritualen, mit Klatsch und Tratsch, mit Gruppentreffen – mit den unzähligen Möglichkeiten der Flucht, so dass die Fluchten zur Hauptsache werden, und nicht das Verstehen dessen, was ist.
Das Verstehen dessen, was ist, verlangt Aufmerksamkeit. Zu wissen, dass man leer ist, dass man leidet, braucht immense Aufmerksamkeit und keine Fluchten, aber die meisten von uns mögen diese Fluchten, weil sie sehr viel angenehmer, wohltuender sind.
Wenn wir uns so kennen, wie wir sind, ist es auch sehr schwierig, mit uns selbst umzugehen. Das ist eines der Probleme, mit denen wir konfrontiert sind. Wir wissen nicht, was wir tun sollen. Wenn ich weiß, dass ich leer bin, dass ich leide, dass ich Schmerzen habe, weiß ich nicht, was ich tun soll, wie ich damit umgehen soll. Also greift man zu allen möglichen Fluchtmöglichkeiten.
Die Frage ist, was man tun soll.
Natürlich kann man nicht fliehen; denn das ist höchst absurd und kindisch. Aber wenn man sich selbst so gegenübersteht, wie man ist, was soll man dann tun?
Erstens, ist es möglich, es nicht zu leugnen oder zu rechtfertigen, sondern einfach dabei zu bleiben, so wie man ist?
Natürlich ist das äußerst mühsam, denn der Verstand sucht nach Erklärung, Verurteilung, Identifikation.
Wenn er nichts dergleichen tut, sondern dabei bleibt, dann ist es, eine Art Akzeptanz. Wenn ich akzeptiere, dass ich braun bin, dann ist das erledigt; wenn ich aber den Wunsch habe, heller zu werden, dann beginnt das Problem.
Zu akzeptieren, „was ist“, ist äusserst schwierig. Das kann man nur tun, wenn es kein Entrinnen gibt. Verurteilung oder Rechtfertigung ist eine Form der Flucht. Wenn man also den ganzen Prozess versteht, warum man klatscht, und wenn man die Absurdität, die Grausamkeit und alles, was damit zusammenhängt, begreift, dann bleibt man mit dem zurück, was man ist. Wir betrachten das immer als etwas, das entweder zerstört oder in etwas anderes verwandelt werden muss.
Wenn wir nichts dergleichen tun, sondern uns ihm mit der Absicht nähern, es zu verstehen, ganz bei ihm zu sein, dann werden wir feststellen, dass es nicht mehr das ist, was wir gefürchtet haben. Dann gibt es eine Möglichkeit, das, was ist, zu transformieren.